Badische Zeitung 18. November 2010
von: Hans-Dieter Fronz

Schlangenhaar und böses Knie

Das GeorgScholzHaus in Waldkirch zeigt Bilder und Zeichnungen der Baslerin Susanne Fankhauser.
Spieglein, Spieglein an der Wand... Dass die schlanke junge Frau, der wir in Susanne Fankhausers Inkjetdruck „Looking Glass" über die Schulter schauen, die Schönste im ganzen Land sei, glauben wir erst einmal nicht. Wenigstens ist sie das nicht in der übertragenen Bedeutung seelischer Schönheit. Und zwar nicht allein deshalb, weil der Spiegel, als wendete er sich mit Grausen, leer bleibt. Sondern weil sich um sein Oval, als wär's gerahmt von üppigem Haupthaar, ornamental Schlangenleiber winden. Was einerseits die biblische Assoziation des Sündenfalls weckt. Andererseits scheint darin eine Gestalt der griechischen Mythologie auf: Medusa mit dem Schlangenhaar. Das Spiegeloval, das an Gesichtsformen in anderen Bildern und Zeichnungen der Künstlerin aus Basel erinnert, ist (wir neigen zu der Annahme) insgeheim das Antlitz der Schrecklichen selbst, deren Anblick jeden zu Stein erstarren ließ, der Moment der Spiegelbefragung somit einer der Selbsterkenntnis - ein Blick in die eigenen seelischen Abgründe. In der Reduktion auf die konturierende Linie ist die Bildsprache dieser wie der meisten anderen Bilder, Zeichnungen und Inkjetdrucke der Ausstellung im Georg-Scholz-Haus in Waldkirch die des Comics. An den Comic erinnern die Arbeiten auch in ihrem manchmal bösen, dann wieder verspielten Bildwitz. „Rabeneleltern" haben sich über die Brut hergemacht; Blutspritzer verunstalten die Wände. Oder es findet ein Zeigefinger in der Gabelung eines Zweigs witzig eine „Kleine Stütze". Fankhausers Arbeiten bereiten dem Betrachter Begegnungen der unerwarteten oder rätselhaften, stets aber außergewöhnlichen Art. Mit einem Engel in der Hocke etwa, der den Kopf wie ein ausgelassener Teenager in den Nacken geworfen hat. Oder mit dem Hinterteil eines Pferds, das den Begriff „Pferdeschwanz" neu definiert. In „Böses Knie" mit einer Prothese, die die Fesseln menschlicher Dienstbarkeit abgeworfen hat und eigene Wege geht. Dann wieder treffen wir auf eine „Verwandelte Muse" mit Cowboyhut. Der Titel sagt es schon: Die Metamorphose ist ein bevorzugtes Thema Fankhausers. Dem „Whisperer" wachsen an den Schläfen Widderhörner. Ein leeres Kopfoval mit Fingern mutiert bildlich zu einem Oktopus. Viel- und häufig zweideutig, enigmatisch und oft vertrackt sind diese Bildfindungen. Bisweilen auch schön schlüpfrig, ein erotisches Fluidum ist in diesen Arbeiten ohnehin allgegenwärtig. Sehen wir der „Pflückerin" beinahe unter den Rock, so entblößt ein „Handstand" das nackte Gesäß einer jungen Frau unter dem Kleid. In einem titellosen Inkjetdruck pulen Finger aus einer weichen, auf den ersten Blick undefinierbaren Öffnung olivenfarbige Formen. „Der einzige Weg, Oliven zu essen" - so heißt ein amerikanischer Klassiker der Sexualliteratur auf Deutsch - ist vielleicht nie pikanter illustriert worden.

Georg-Scholz-Haus, Merklinstr. 19, Waldkirch. 24. Oktober bis 5. Dezember 2010