Das Museum der Tiere
Saaltext von Roman Kurzmeyer, Ausstellung Projektraum Kunsthalle Bern 1998

Die von Susanne Fankhauser (geb. 1963, lebt in Basel) für den Projektraum geschaffene Zeichnung «Das Museum der Tiere» ist ein monumentaler Digitaldruck, ein Gegenüber, das klein, auf Bildschirmgrösse erarbeitet wurde. Das Arbeitsmaterial von Susanne Fankhauser sind Abbildungen künstlerischer Arbeiten. Verwendung finden ausschliesslich Kunstwerke, die schon reproduziert vorliegen. Die Künstlerin findet ihre Motive in der neueren Kunstgeschichte, in Zeitungen, Zeitschriften, Katalogen und Büchern. Sie bearbeitet Ausschnitte der Reproduktionen am Computer. Obschon Susanne Fankhauser ausschliesslich Abbildungen plastischer Arbeiten verwendet, gilt ihre gestalterische Aufmerksamkeit besonders den Konturen und den Flächen. Sie verwandelt Volumen in Flächen.

Susanne Fankhauser sagt von der hier ausgestellten Zeichnung, sie ermögliche wie ein grosses Fenster den Blick in ein Museum. Das Museum, das sie uns zeigt, ist allerdings kein Gebäude. Es sind auch keine Menschen zu sehen. Die Kunstwerke selbst bilden und sind das Museum. Sowohl die ausgestellten Kunstwerke als auch die betrachtenden Tiere sind Abbildungen künstlerischer Arbeiten. Kunstwerk und Betrachter sind in Fankhausers Bild-Museum nicht unterscheidbar. Die Sammlung, die sie uns zeigt, setzt sich aus Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern unterschiedlicher Bedeutung zusammen. Aufnahme in die Sammlung fanden nicht etwa Kunstwerke, die von der Künstlerin persönlich besonders geschätzt werden, vielmehr ging es ihr darum, möglichst interessante Konfigurationen zu schaffen. Da Fankhauser mit Abbildungen arbeitet, war der durch den jeweiligen Fotografen festgehaltene Blick auf ein Werk für die Auswahl entscheidend. Mit anderen Worten: Hätte die Künstlerin eine Arbeit in einer anderen Fotografie kennengelernt, hätte sie vielleicht nicht in ihre Zeichnung aufgenommen, bestimmt aber nicht in jene Nachbarschaft kopiert, in der wir sie nun sehen. Susanne Fankhauser ist wie wir alle eine Kunstbetrachterin. Als Künstlerin, die mit Kunstwerken arbeitet, interessiert sie sich für deren konkrete Erscheinung und nur am Rande für die künstlerische Konzepte, aus denen diese hervorgegangen sind. Verzerrungen und Entstellungen wie sie durch die fotografische Reproduktion entstehen, sieht sie nicht als Fehler oder Differenz, sondern ganz im Gegenteil als das, was diese tatsächlich auch sind: mehr oder weniger interessante Formen. Die Reproduktion weist bei Fankhauser nicht zurück auf ein Original. Die Reproduktion ist das Original, das die Künstlerin als Form interessiert. Susanne Fankhauser suggeriert in ihrer Zeichnung eine Abfolge von Räumen. Sie tut dies mittels der Anordnung der Figuren. Sie verzichtet in ihrer Zeichnung auf Böden, Wände und Figuren. Da, wo sie Wände eingezogen hat, waren diese schon auf der verarbeiteten Reproduktion Bestandteil des abgebildeten Werkes. Auf den ersten Blick scheint alles seine Ordnung zu haben, doch sobald das Auge durch das Bild zuwandern und die fiktive räumliche Situation zu erkunden beginnt, erweist sich diese Welt als endlos, bodenlos und orientierungslos. Die Elemente, aus denen diese Welt besteht, sind abzählbar. Die Farben auf dieser Zeichnung sind bunt, grell und unmoduliert. Sie halten Distanz zur Natur. Dargestellt sind ausschliesslich Artefakte. Ihre Anordnung erfolgte nicht nach Regeln perspektivischer Darstellung, die Beziehungen zwischen den Bildelementen erzeugen dennoch Konfigurationen, die vom Auge als auszulotender Raum wahrgenommen wird. Die Anordnung und die wechselseitigen Beziehungen zwischen den abgebildeten Werken sind wichtiger als die einzelnen Bildfiguren. Das Einzelne ist auf diesem Bild nur in der Kombination von Bedeutung.

Katalogtext von Roman Kurzmeyer aus: Erlebte Modelle / Model Experience

Das Museum der Tiere      The Animal Museum