Ausschnitt aus Saaltext, Ausstellung Forum Vebikus Schaffhausen, 2011
von: Sibylle Ryser

Dickicht Raumschiff und lichter Flieder

... An der benachbarten Wand begegnet uns nochmals ein Naturthema. Ein knorriger Ast treibt seltsame Blüten. Auf den ersten Blick ein schönes, frühlingshaftes Bild, diese rosa Rundungen auf dem nackten, knorpligen Ast. Wie junge Blüten auf alten Bäumen, das ewig wiederkehrende Frühlingsversprechen. Aber kaum sehen wir etwas länger hin, kippt das Bild ins Unangenehme. Sind es wirklich Blüten? Erotische Knospen? Oder nicht eher überdimensionierte Schildläuse, gar bösartige Wucherungen? Ist es gar kein Ast, sondern ein alter, deformierter Körper, bedeckt mit krankhaften Pusteln? Ist da oben links nicht ein Ellbogen angedeutet, hängt da nicht faltige Haut über arthritische Gelenke? Ach nein. Vermutlich sind es die beiden Außerirdischen, zwei runzlige ET‘s, die sich die Hand reichen. Das Raumschiff haben sie wohl draußen geparkt... Wieder führt uns Susanne Fankhauser mit klaren Linien ins Zwielicht, in dem alle Dinge mehrdeutig werden. Viele Pfade scheinen sich zu eröffnen und führen uns doch die Irre. Oder besser: in Versuchung. In die Versuchung einer Sphäre der Ambivalenz. Wo alles immer auch ganz anders sein kann, wo man sich niemals festlegen muss, wo jede Bedeutung ihren Widerspruch und ihre Ergänzung findet. Was uns die Künstlerin vor Augen führt, ist die widersprüchliche Vieldeutigkeit der Erscheinungen.

Die erotischen Pusteln waren übrigens in ihrem früheren Leben Seeanemonen, die an Aquarienfenstern kleben. Susanne Fankhauser hat sie fotografiert, und hat dann zeichnerisch ihre fleischige Präsenz extrahiert und sie einer Wurzel aufgepfropft. So entstand diese seltsam körperhafte Blüte, die uns anzieht und abstösst zugleich, so dass uns fast etwas schwindlig wird, als stünden wir auf schwankendem Boden... Susanne Fankhauser führt uns mit sicherem Strich auf unsicheres Terrain. In eine zeichenhafte Welt voll kippender Bedeutungen, voll ambivalenter Empfindungen. (...) Bei Susanne Fankhauser lässt sich ein hintergründiges Zitieren von romantischen Bildzeichen ablesen. Die «blaue Blume» etwa, ein Sprachbild romantischer Dichtung, begegnet uns hier. Ebenso wie weitere Versatzstücke aus Märchen, Mythen und Populärkultur: die Fee, der dunkle Wald, das Fabeltier, die ambivalente Erotik exotischer Gewächse...